Nessie

Nessie – das Monster von Loch Ness

Das Ungeheuer von Loch Ness ist eine Monster-Ikone. Die erste überlieferte Sichtung stammt aus dem Jahre 565. Doch inzwischen scheint das legendäre Wesen abgetaucht zu sein.

„Columban machte das Kreuzzeichen und rief den Namen Gottes an, während er dem wilden Tier befahl: ‚Nicht weiter! Berühre ihn nicht! Zieh dich sofort zurück!‘ Als das Tier die Worte des Heiligen hörte, floh es vor Angst.“ So soll sich die erste überlieferte Sichtung des Monsters von Loch Ness abgespielt haben, glaubt man den Worten des irischen Mönchs Adomnan.

In seinem Werk „Vita Columbae“ hatte der Abt des Klosters Iona in Schottland im 7. Jahrhundert die Wundertaten seines Vorgängers, des Heiligen Columban, zusammengefasst.

Sein Landsmann hatte zuvor als Missionar die Pikten in Schottland aufgesucht. Im Jahre 565 hörte er am Fluss Ness von einem Ungeheuer, das einen Mann getötet haben sollte. Das war DIE Gelegenheit, den Heiden die Macht Gottes zu demonstrieren. Columban schickte einen seiner Begleiter als Köder in den Fluss. Prompt tauchte das Monster auf – und auf Befehl des Heiligen wieder ab.

1933 taucht das erste Foto auf

Seit mehr als 1400 Jahren, so sind Nessie-Fans überzeugt, ist demnach die Existenz eines Ungeheuers im Loch Ness bekannt. Und aufgrund der zahlreichen Sichtungen von großen, aber nicht zu identifizierenden Wesen, ist Nessie zur Monster-Ikone geworden. Bis heute allerdings ist völlig unklar, was für ein Tier in dem mehr als 56 Quadratkilometer großen und bis zu 226 Meter tiefen See hausen soll. Die Beschreibungen sind widersprüchlich. Mal sieht Nessie aus wie eine Art Schlange, deren Körper in Form mehrerer Buckel über der Wasseroberfläche erscheint.

Ein anderes Mal taucht ein langer Hals aus dem Wasser, der offenbar zu einem großen, kompakten Körper gehört. Mal schwimmt das Wesen unter Wasser mit Hilfe von Flossen, mal bewegt es sich an Land. Der erste relativ genaue „moderne“ Bericht stammt aus dem Jahre 1933. Vor dem Auto des Ehepaars Spicer überquerte ein acht Meter langes Tier mit einem langen, schlanken Hals die Straße und verschwand in Richtung See. Fast identisch verlief die Begegnung, von der Arthur Grant im selben Jahr berichtete. Wieder befand sich das Tier auf der Straße und zog sich ins Wasser zurück. Es folgten eine Reihe weiterer Sichtungen, allerdings meist aus großer Entfernung.

Ein erstes Foto tauchte ebenfalls 1933 auf – es zeigte aber nur ein unscharfes, längliches Etwas unbekannter Größe. Manche Skeptiker glauben, auf dem Bild in der Mitte einen Hundekopf zu erkennen, der einen Stock trägt. Der Fotograf Hugh Gray, so ihr Verdacht, hatte seinen eigenen Hund im Wasser abgelichtet.

Das berühmte „Surgeon’s Photograph“

 

Das Ungeheuer von Loch Ness

1934 dann präsentierte die Zeitung Daily Mail ein Foto, das die Existenz eines langhalsigen, großen Tieres im See zu belegen schien. Aufgenommen hatte das Bild angeblich ein Arzt aus London, weshalb es als „Surgeon’s Photograph“ bezeichnet wurde. Bis 1994 war die Aufnahme DAS Nessie-Bild schlechthin, obwohl mit der Zeit Zweifel an der Echtheit laut wurden.

Dann kam heraus, dass der ehemalige Großwildjäger Marmaduke Wetherell für die Fälschung verantwortlich war. Sein Stiefsohn hatte einen langen Hals und Kopf an einem Spielzeug-Tauchboot befestigt und im See schwimmen lassen. Ein renommierter Londoner Arzt hatte sich bereiterklärt, ein Foto der Figur der Zeitung zu überlassen, unter der Bedingung, seinen Namen nicht zu nennen. Und so kam das Foto zu seinem Namen.

Flusspferdspuren am Loch Ness

Offenbar war die Fälschung Wetherells Rache für eine Erniedrigung, die er zuvor erlitten hatte: Die Daily Mail hatte ihn angeheuert, den angeblichen Sichtungen eines Monsters nachzugehen. Tatsächlich entdeckte er Fußspuren. Am Natural History Museum in London wurde allerdings festgestellt, dass es sich um Abdrücke eines Flusspferds handelte. Jemand hatte den Großwildjäger mit einem Schirmständer, angefertigt aus dem Bein eines solchen Tieres, hereingelegt. Und vielleicht hatte er sogar selbst die falsche Fährte gelegt.

Nachdem bekanntgeworden war, dass es sich um eine Fälschung handelte, machte man sich über Wetherell lustig. Also beschloss er, den Medien das gewünschte Monster zu geben. Unklar ist, wieso er die Fälschung nicht zu Lebzeiten aufgedeckt hatte. Sein Stiefsohn Christian Spurling gab schließlich 1994, kurz vor seinem Tod, den Betrug zu. Alle weiteren Fotoaufnahmen, die angeblich ein großes Tier an der Oberfläche des Sees zeigen, sind so unscharf, dass sich die Objekte auch auf andere Weise erklären lassen als durch ein Monster. Seehunde oder Wasservögel, aber auch Boote könnten für die dunklen Flecken und Wellen verantwortlich sein, die die Aufnahmen zeigen. Der bekannteste Film, aufgenommen von Tim Dinsdale 1960, scheint allerdings ein Objekt zu zeigen, dessen Bewegungen ungewöhnlich waren. Seit das „Surgeon’s Photograph“ als Fälschung aufgeflogen ist, gilt es als bester Hinweis auf Nessie. Wirklich erkennen lässt sich aber nicht, was da schwimmt.

Sechs Meter lange Objekte

Doch nach dem Interesse der Öffentlichkeit erwachte auch die Neugier einiger Wissenschaftler. Eine ganze Reihe von Versuchen, mutmaßliche Monster im Loch Ness mit Hilfe von Echoloten, Unterwassermikrophonen oder -kameras aufzuspüren, haben stattgefunden. 1968 etwa berichtete Gordon Tucker von der University of Birmingham von etwa sechs Meter langen Objekten, die sich über dem Seeboden bewegt hatten. An die Oberfläche kamen sie allerdings nicht, wie es Nessie offenbar immer wieder zu tun scheint. 1970 berichtete Roy Mackal, ein ehemaliger Professor der University of Chicago, seine Hydrophone hätten Geräusche aufgenommen, die an die Sonar-Ortung von Delphinen oder Fledermäusen erinnerten. Bewegte sich ein Boot über der Geräuschquelle, wurde es still im See. Mit Hilfe von Unterwasserkameras gelang es schließlich in den siebziger Jahren Robert Rines, Bilder von zwei Objekten zu machen, die an sehr große Flossen erinnern, ähnlich, wie sie Plesiosaurier, ausgestorbene Meeresreptilien, besessen haben sollen. So richtig deutlich wurde das allerdings erst, nachdem die Aufnahmen mit Hilfe eines Computers „verstärkt“ wurden.

Verstärkt oder verfälscht?

Problematisch ist, dass dabei Vergrößerungen des Kontrasts zwischen Hell und Dunkel und die Entfernung von Flecken die Form des eigentlichen Objektes verfremden können. Die sogenannten Flipper sind jedoch auch auf dem Original zu ahnen. Doch sind es tatsächlich Flossen? Oder bewegt sich da ein Objekt durch Luftblasen, die auf dem Foto wie ein massives, gesprenkeltes Objekt wirken? Dick Raynor vom Loch Ness Investigation Bureau ging in einer genauen Analyse der Fotos noch weiter. Ein Vergleich der Originalbilder und der bearbeiteten Fotos zeigt ihm zufolge, dass dort nichts anderes zu sehen ist als der Seeboden. Schwierig zu interpretieren sind auch Fotos von Rines von 1975, die ein Objekt mit einem „langen Hals“ zeigen. Nur wer einen Plesiosaurier zu sehen erwartet, sieht dies auch. Sonst erkennt man einfach nur einen unregelmäßigen Körper mit einem länglichen Anhang. Ein anderes Bild könnte einen Kopf mit Hörnern zeigen, der einem gotischen Wasserspeier ähnelt – wenn man nach einem Kopf sucht.

1987 dann wurde der See mit Hilfe einer ganzen Reihe von Booten mit Sonaranlagen in seiner ganzen Länge und Breite untersucht. Das Ergebnis: An einem Ort hatte sich am Boden des Sees offenbar etwas bewegt. Doch was, blieb völlig unklar. Hatten sich Ablagerungen verschoben? Tauchten dort unten Seehunde?

1993 schließlich beobachteten Mitglieder einer Expedition für das Unternehmen Discovery Communication mit Hilfe von Sonargeräten, dass es unter der Wasseroberfläche sogenannte Seichen gibt. Dabei handelt es sich um eine Art stehende Welle, die durch einen stetigen Wind hervorgerufen werden kann und Wasserschichten mit unterschiedlichen Temperaturen verschiebt. Lässt der Wind nach, strömen die Schichten zurück. Dadurch kann sich Treibholz unter Wasser bewegen oder sogar an die Oberfläche steigen. Durch die Seichen ließen sich möglicherweise die seltsamen Sonarmessungen erklären. Auch können die in der Tiefe auftretenden großen Wellen zu kleinen Wellen an der Oberfläche führen.

Viele der Hinweise auf ein Monster im Loch Ness ließen sich nach Einschätzung des Nessie-Experten Adrian Shine auf diese Weise erklären. Seine Theorie ist jedoch bislang genauso wenig bewiesen wie die Existenz von Nessie selbst.

2003 schickte der britische Sender BBC Experten zum Loch Ness, die mit Hilfe von 600 Sonargeräten und Satellitennavigation den See vollständig untersuchten. Hinweise auf große Tiere fanden sie nicht.

Nachdem es auch in den vergangenen Jahren keine deutlichen Hinweise auf große Objekte im See mehr gegeben hat und auch die Zahl der Sichtungen zurückgegangen ist, vermutete Robert Rines 2008, die Nessies seien nun ausgestorben.

Offensichtlich konnte ihn noch nicht einmal das Video überzeugen, das ein Jahr zuvor der Hobbyfilmer Gordon Holmes aufgenommen hatte. 15 Meter lang sei das Tier gewesen, das vor seinen Augen durch den See geschwommen war. Vielleicht war es aber auch nur ein kleineres Tier und sein „Fahrwasser“. Manche Sichtung dürfte jedenfalls auf Meeressäuger oder große Fische zurückgehen. So sind im Loch Ness immer wieder Störe von mehreren Metern Länge aufgetaucht.

Bis heute gibt es also keine überzeugenden Beweise für die Existenz eines Monsters im Loch Ness – geschweige denn Informationen darüber, um was für eine Art Tier es sich handeln könnte. Ein Plesiosaurier oder eine verwandte Meeresechse dürfte Nessie schwerlich sein. Nicht nur, weil die Tiere seit Millionen Jahren als ausgestorben gelten und es keine fossilen Hinweise darauf gibt, dass sie das Schicksal ihrer Zeitgenossen, den Dinosauriern, nicht geteilt hätten. Eine überlebende Saurier-Population müsste aus vielen Tieren bestehen, so dass die Sonargeräte häufiger auf große Objekte hätten stoßen müssen. Auch wären diese Reptilien darauf angewiesen, zum Atmen an die Wasseroberfläche zu kommen – und somit regelmäßig wieder vor den Augen und Ferngläsern der zahlreichen Touristen aufzutauchen.

Glaubwürdig wie Geschichten vom Tatzelwurm

Wer den Bericht des mittelalterlichen Mönchs Adomnan von Iona als Beleg für ein Monster im Loch Ness heranzieht, muss erklären, wieso das Tier damals im Fluss, und nicht im See lauerte und wieso es nur Menschen attackierte, sich heute aber erfolgreich vor Sonargeräten versteckt. Und wieso sollte die Geschichte mehr Wahrheit enthalten als die mittelalterlichen europäischen Geschichten von Lind- und Tatzelwürmern – die in Österreich zum Beispiel auf den Fund eines fossilen Nashornschädels zurückgehen.

Das öffentliche Interesse an Nessie ist riesig und die einheimische Touristen-Branche gibt sich alle Mühe, mit dem Ungeheuer Besucher zum Loch Ness zu locken. Sollte es tatsächlich ein Monster in dem See geben, muss es entweder unglaublich geschickt darin sein, sich vor Menschen und ihren Hilfsmitteln zu verbergen – oder es materialisiert nur hin und wieder und ist die meiste Zeit substanzlos. Soll doch jemand das Gegenteil beweisen.

Mehr mythische Gestalten:

 

  • Kamelspinne – die Riesenspinne aus dem Irak
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